»Hatte gehört, dass in der kleinen Wohnstadt auch was stattfand, im Internet war aber nichts dazu zu lesen gewesen. So unterbrach ich kurz vor 18 Uhr die Schreibtischtätigkeit, um um die Ecke zum Rathaus hinzugehen; hatte die Heizung angelassen, denn ging davon aus, gleich wieder da zu sitzen – und war einfach überrascht: etwa 50 bis 100 Menschen standen da, immerhin, 2 Polizeiautos ihnen gegenüber.
Es war das erste Mal, dass ich durch die Wohn-Innenstadt mit so vielen Menschen ging. Die Polizei fuhr nebenher, keinerlei Aggressionen spürbar, keinerlei Zwischenfälle. Nur Menschen, die sich lautstark unterhielten. So viel Lebendigkeit war ich nicht gewohnt. Wie gut es doch tat, zugegeben, in einer Sphäre zu gehen, in der der Grundkonsens der Meinungen geteilt wurde. Ein für mich gänzlich ungewohntes Gefühl.
Ein Bundeswehrsoldat neben mir, ganz andrer Typ, nicht ganz erträglich, aber alle Achtung vor seinen Äußerungen. Zwei Frauen auf der andern Seite, denen brauchte ich nichts zu erklären, schienen bestens informiert. So lief man mal hier mal da und freute sich einfach an den Kontakten, weil . . . Freude ›lag in der Luft‹.
Am Ende ging es durch die kleine Fußgängerzone und vor mir waren es gewiss nun 200 bis 300 Leute, auch hinter mir, viele hatten sich also angeschlossen.
Ich wunderte mich, tatsächlich, wie ›gut drauf‹ ich auf einmal war, einfach gelöst. Unerhört, was in mir und anderen entsteht, von der Düsternis des Normativen befreit. Wenn es ganze Menschen sind. Die einfach ehrlich losreden, drauf losleben . . .
Wie falsch ich doch immer schon unter diesen Mainstream-Normalos war.
Wie falsch diese Nur-Gepassten doch für mich sind.
Sie sind der Medusenblick, bei dem alles schrumpft.
Das soll kein Rundumschlag sein, nichts diskriminieren, obgleich es nicht zu Unrecht so aufgefasst werden kann. Will einfach sagen, wie gut ich leben kann – wenn Verblendung und Maskerade fallen.«