Als ich am Morgen im Bad stehe, quält die Katze mit erbarmungswürdigem Winseln. Denn ihr Futter steht unterm Waschbecken. Als ich sie reinlasse, scheint es erst darum zu gehen, sich meiner „Identität“ zu vergewissern, das geschieht dadurch, dass sie mich zum einen umstreift und zum andern bedrohlich auf Distanz geht.
Wie „ausgelebt“ das fremde Haus nun wirkt im Gegensatz dazu, wie vorsichtig die Schritte hin zu dem Familientreffen waren. Mit den Menschen kam auch das innere Chaos, so gut man auch voreingestellt war und so weise sich auch verhalten wurde. Auch schlägt manches nun um zur Aggression, weil ohne Begegnungsschleier Versäumnisse und Möglichkeiten offenbar werden.
Spuren sichtbarer Ausgelebtheit – das gehörte in der frühen Kindheit zu den Schocks am darauf folgenden Morgen, nach solchen Festen, auf denen ich anwesend gewesen war.
Als ich in der Nacht, nachdem ich mich von den Gästen bereits verabschiedet hatte, noch mal in die Nähe der Terrassentür geriet, war mir, als sei verheißungsvolles Lachen stärker geworden, als habe sich Wohlbefinden erhöht.
Am nächsten Morgen auf der Terrasse der lange leere Tisch, der am Vortag so voll besetzt gewesen war. Die vielen verschiedenen Stimmen, die, von außen betrachtet, durcheinander gingen, noch so intensiv im Ohr.
Wie das Wissen um das Haus, aus Jahren zuvor, beim vorübergehenden Wohnen hier nach und nach aus dem Vergessen wieder ins Bewusstsein dringt.
Gestern, unter all jenen, in einem Grad der Nüchternheit, der Leben auf seine nacktesten Grundbedingungen zurückfuhr.
In einem kleinen, recht vollgestellten Zimmer zu zweit übernachten. Diese Anforderung: Bei zunehmender Menschenanzahl und Eindrücken und damit einhergehender Erregung achtzugeben. Erinnerung an biografische Zeit, in der etwas, was mir sehr lieb gewesen war, in solcher Situation zu Bruch ging.
Wundaktualisierung im Kontakt: Mit Bewusstseinssteuerung punktuell Kontaktwege erschaffen können, doch mit Nachlassen dieser augenblicklich in eine „Breitwand“ abfallen, heißt in ein psychisches Gebiet, das für alle Beteiligten undurchschreitbar erscheint bzw. ist.
Menschen-Glück, Frauen-Glück. Sie habe nun endlich, wie sie sagte, wieder einen Partner. Zu wissen, zu ahnen, wie sie zwischenzeitlich verloren ging.
Wie sie, leer geworden, jede Kontaktnahme wie einen Sonnenstrahl in sich lässt.
Mit großem Mitgefühl zu betrachten, zu ahnen, wie verloren sie ohne dem ist.
Nordschwarzwald. Herkunftsgegend der Mutter. Auf der Fahrt nach Baden-Baden im Versuch, jedes „Staubkorn Geschichte“ aufzusaugen. Heißt: alle Erinnerungen, alles Wissen zu aktivieren, Sinne auszufahren, die es womöglich nicht gibt.
Tunneldurchquerung als frühe Kindheitsrealität. Anwachsen von Bedrohlichkeit, als der Tunnel, nie erlebt, nicht mehr zu enden schien. Die Wände, das Blicken auf Felsen, so gewaltig, sie übergenau ansehen, als Teil von . . Renovierungsarbeiten. Aus dem Tunneldunkel im Vaterwagen ans Tageslicht, erste karge Natur unter dem Wort „Schweiz“, wo ich bis dahin noch nie gewesen war.
Sich zur Begrüßung umarmen. So viel Frau, die sich am Körper abdrückt. Der innere Körper nun so verändert.
Rechts von der Autobahn den Geburtsort der Mutter liegen lassen, heilige Stuben von Verwandten, ganz frühe Wohlfühlorte. Das wurde bald schon nie mehr so erreicht.
Jene Anekdote: Einer im sozialen Radius des Urgroßvaters erzählte, dass er es gern noch erleben wolle, „mit der Autobahn zu fahren“.
Schwarzwaldhochstraße. Auch sie in Zeitschichten frühester Kindheit aufgehoben. In unfassbarem Selbstverständnis liegt sie nun da. Als überblicke ich bei der Befahrung die ersten zehn Lebensjahre.
Aber was überblicke ich?
Farne und Schwarzwalderde der Kindheit wurden so dunkel und tief empfunden. Dagegen erscheine ich heute eher ausgehöhlt.
Ausblick am Rand der Schwarzwaldhochstraße. Funde unfassbarer Vergangenheit. Erinnerungen, die – ohne diese Realität jetzt – wohl nicht mehr aufgetaucht wären.
Herrenwies. Als die Familie noch ein ganz ungefährdetes Feld in sich war.
Ihr Menschsein wurde offenbar. Die Vorstellung erhob sich, wie es sei, mit ihr zu leben. Die Verheißung, sie, sich gegenseitig zu erschließen. Verbunden mit dem Wunsch, es nicht mit allzu tückischem Wesen zu tun zu haben. Nicht mit so einem 'Alptraum', wie es bald evident wurde, wie erste Liebe einst. Nicht mit so etwas zu tun zu haben, wie es in m/eine Disposition gehängt wurde.
Realität und Ausmaß, wie unverhältnismäßig Zweiteres.
Solche Nachmittagsmüdigkeit in der Sonne während Autofahrt. Fühlt sich wie Lebensmüdigkeit an.
In der Zeit sein. Das bedeutet nur, von einem ins andere.
Die Wunde, als sei es ein Brennstab, bei dem keine Näherung möglich.
Keine innere Sicherheit.
Kind, das 'ohne Berührungsängste' nach unserm Kennzeichen fragt. Nun Jugendherberge Todtnauberg. Stolz verkündet, dass sein Zimmer in der Nähe sei.
Solche Ruhe, als sei es Frieden, in dieser Höhe. In Todtnauberg gesehen, wie es am Fenster Nacht wurde.