Nachfolgendes auf der Grundlage des Buches ›Wege heraus‹ (Tredition, erschienen 6. September 2021).
Gemeinsame Wege heraus [10]
Meditationen
Offen die Fenster des Himmels
Und freigelassen der Nachtgeist
(Friedrich Hölderlin)
»Seither«, sagte er, »in keiner einfachen, nicht-doppelbödigen Heimat mehr.
Einfach meint hier, was Eines ist.«
Das Gras in deiner Wahrnehmung
als es
von diesem Schweregrad trug.
»Wenn ich durchzähle im Innern«, sagte er, »1,2,3,4,5,6,7
gewinne ich eine gewisse objektive Instanz
durch die Zahl
weil, sie ist Abstraktion,
nichts Inhaltliches.
Das lässt sie liegen, die scheußlichen Vorstellungen und Gedanken.«
»Der Zahl«, fügte er noch hinzu, »manchmal ein inhaltliches, ein freies Blühen mitgeben.
So wie sich – eine Welt öffnet.«
Ja Überheblichkeit
Hochmut
Konkurrenz
verursachten einst
Schmerz.
»Befreiung ist«, sagte sie, »eine Abneigung auf 100 Prozent bringen.«
Geschriebenes zwischen 1990 und 2000 warfst du weg.
Jetzt vermisst du es
dein Blut
auf Papier
würdest noch einmal reinsehen
mit anderem Blick
Weisheiten darin
All das existiert noch in dir. In Geist-Schrift
kenntlich; nicht mehr kenntlich.
Standst auf dem überfüllten Platz, es flitzte derart in dir herum, sodass du frei warst.
Das Über-über-Gutsein deiner Kindheit.
Zu böse das, worin du verfangen wurdest.
Es war einmal ein Moskitoschwarm. Ein starker Wind kam auf, und da das Fenster im Haus des Scheichs offenstand, wehte er all die Moskitos hinein. Auf der anderen Seite des Zimmers war noch ein Fenster, und wie sie durch das eine Fenster hereingeweht worden waren, so wurden die Moskitos durch das andere wieder hinausgeweht – außer einem. Dieser eine setzte sich der Frau des Scheichs aufs Knie. Der Scheich erblickte ihn, lächelte, hob seine Hand und tötete ihn. Der Moskito starb. Er wurde der Derwisch.
(Reshad Feild)
Du verstehst das, bis ins Schmerzhafteste.
Bis ins geistige Geborensein
hinein.
»Was ich zu bewältigen hatte«, sagte er, »während ich zu dir sprach.
Kleine-große Momente, in denen wir innehielten.«
. . . Auch du hattest viel zu genaue Vorstellungen von dir selbst, die Leben nicht gerade entspannt machten, es einschränkten.
und
zur Vorstellung ›von sich selbst‹
gehören lauter Vorschreibungen, die jeder von vornherein
mitgeliefert erhält.
Anstatt etwas Erhebendes, Tanzendes unterschwellig in ihrem Blick vorzufinden
generierte sich etwas Kaltes, Erstarrendes, Irritierendes.
Welches war das verhindernde Stück?
Etwas, worunter schon
zu sehr gelitten wurde.
bewirkte
dass Kontakt zu Menschen nicht mehr gut steuerbar, regulierbar war.
»Dass ich überhaupt in Konfrontation ging«, sagte er, »verdankte sich einer normalen Reaktion darauf; es zeigte, wie es um sie bestellt.«
Plötzlich erschien dir der Gnädige; er sah – retrospektiv – jeden Moment deines Lebens in gnädigem, ent-spannendem Licht.
Zeigt, wie ungnädig du selbst oft
gewesen warst.
Wenn dich jemand sehr verletzen will, dann fühlt er sich noch schlimmer.
(Konfuzius, lebte um 500 v. Chr.)
Wenn es aber so ist, dass du dem Täter begegnest – etwa in einem Wohnhaus, wo du häufiger bist, dort zu wohnen scheint –, erscheint es geradezu aussichtslos, etwas Menschenfreundliches zu realisieren. Dir ist bewusst, es beruht zum Teil auf Projektion. Das heißt, du selbst bist in diesen Momenten nicht menschenfreundlich. Auch in der Folge ist es schwierig damit. Das ist der Punkt, der gravierend einzige, wo das einstige Opfer Gefahr läuft, sich dem einstigen Täter anzunähern. Über die Unmenschlichkeit. Das Opfer war also im Weiteren oft unfähig, humane Ressourcen in sozialen Kontakten zu aktivieren. Lief Gefahr, bei zu großer Benachteiligung, sich das ein und andere, wenigstens im Innern, zu nehmen. Mit welchen Mitteln? Das ist die größte Gefahr und der Holzweg des Opfers.
II
nicht mehr vom Erleben ausgehen.
einem Menschen, jedem, grundsätzlich Potenziale einräumen.
damit er eine Chance hat, auf Gutes zu reagieren.
III
Verloren zu sein
ist ein großes Privileg.
(Sadhguru Jaggi Vasudev)
warum?
weil jede Fesselung
damit geht.
IV
doch räumliche Nähe des Täters
bleibt ein Problem.
fandst noch einmal den Punkt, wo einst so viel aus der inneren Verankerung gerissen wurde, dass du Sachen machtest und gewährtest, die sonst nie stattgefunden hätten. Hingabe
den Süchten und dem
was später so schwer zu respektieren ist.
Es fehlte ein Regulativ normaler Gesetzlichkeit.
Es fehlten wirklich gute Geister, die dafür einstehen.
So wie auch in gegenwärtiger Politik
wirklich gute Geister
fehlen.
es geht darum, das sensible System zwischen uns zu wahren.
und das ist nicht mehr möglich, wenn
selbst gewaltvoll dreingeschlagen wurde.
II
überdies: Durch Gewalt wird der Adressat exponiert.
Erfolgt zusätzliche Beschäftigung mit ihm, was, in dieser Weise,
äußerst abträglich.
Im Kahlschlag gedeihen nicht
die poetischen Blumen unserer Liebe
die Verzauberung leben
die Transformation
Sagen, dass es dir etwas ausmacht
zusammen entscheiden, was
gemacht werden kann.
Wer mir eine Sprache aufzwingt, der kommt mir definitiv zu nahe.
-
(Ulrich Schödlbauer)
»Mit meinen gegenwärtigen Möglichkeiten ging es mir hier gut.«
Mit dem Ärmel in sein Gesicht fuhr, immer mal wieder, Wärme, Fühlung zum weichen Stoff, Selbststreicheln.
Es darf nicht auf
Schwächung durch Beziehung
hinauslaufen
wenn beide einen großen Schmerzkörper haben
Sensibelst damit umgehen
Alle ›komischen Situationen‹ im Leben hätten nicht stattfinden brauchen, wenn beide Seiten, beide Menschen, im neuralgischen Punkt kommuniziert hätten.
und alles was wächst
hat nur noch eine Heimat bei ihnen.
(Nelly Sachs)