»Noch relativ jung.
Durchaus schön und anziehend.
Unglaublich lieb
wie sie einmal behilflich war.
Unglaublich geduldig und liebevoll hatte sie das gemacht.
Maßregelnd, grenzüberschreitend bei der Corona-Maske.
Ich hatte«, so Marcel, »die Sache eingehalten. Abstand zwischen der Plexiglasscheibe an der Kasse, an der sie saß, nur einzelne Momente die Maske halb über die Nasenlöcher, weil ich nichts mehr gesehen hatte, die Brille beschlagen war. Einen solchen Moment nutzte sie, um ihren Spruch vorzutragen. Und als nicht sofortiger Gehorsam erfolgte, eine dieser Abwertungsfloskeln. Selbst hier, im Bioladen. Bisher waren wir gut zurechtgekommen.
Etwas daran war bestürzend.
Ich erkannte die Mentalität: So gute Eigenschaften innerhalb der kollektiven Energien.
Sich aber sofort anpassend, wenn diese eine Richtungsänderung vornehmen.
Dann dort ebenso lieb.
Ich kann sie mir gut vorstellen: als Frau, als Teil von Familie, sie hat etwas unglaublich Fürsorgliches. Unter anderem.
Sie ist ganz umgänglich und klar. Und manchmal scheint sie sogar ein klein wenig depressiv oder melancholisch – ich weiß ja nicht –, wofür ich Sympathie habe.
Aber es scheint da ein unterlegtes Verbot zu geben: Keine Grundsatz-Kritik.
Kein Herz für Menschen, die entweder per se abweichen oder andrer Auffassung sind.
Aber worin bestand nun das Bestürzende«, sagte Marcel – und er fragte es sich wie für sich selbst, obwohl ich ihm gegenübersaß –, er schien für einen langen Moment zu rätseln, aber dann kam es doch ganz klar heraus: »Das Bestürzende war, dass es so tief verinnerlicht war. Ein Absolutismus war. Ein Ausscheidungskriterium.
Grundsatz-Kritik, es wäre wohl der Aussatz, das Aus.
Diese Mentalität verletzt mein Herz«, sagte Marcel, »meine Redlichkeit, meine Wahrheitsliebe.
Auch gab mir der Spritzer Gift in ihrem Ton zu denken, als sie sagte ›wie alle andern auch‹.
Gut, ich kann das auch nicht mehr hören, den ewig zitierten Nationalsozialismus. Er geht mir . . . Aber auch ich kann nicht anders, auch meiner Erfahrung nach, als ihre Rede als ›gefährlich‹ einzustufen. Sie ging mir nah, in ihrer Gefährlichkeit. So spielen die guten Menschen«, sagte er nach einer Pause, »oder Menschen mit so vielen guten Anteilen . . . den Schweinen zu, jenen, mit so vielen schlechten Anteilen.
Gut, schlecht . . . ? Ja ja, man sollte diese Wörter, diese Anschauung nicht ganz streichen.«