Dangast 3

 

 

24.10.2020, Sams-Tag

 

 

31/ Die Decke im Bett über dem Körper, beide Fußbodenfenster sperrangelweit offen, kalte Luft, Blick von oben auf einen Strauch im wunderroten Herbstgewand.

 

 

32 / Was der eine sagt, der andre versteht - - - Jeder interpretiert zunächst innerhalb seines Systems mit unterschiedlich ausfallender Qualität von Einfühlung. Einiges an Arbeit wieder angesagt: Wenn das Gleiche gegenteilig verstanden wird!

 

 

33 / Windfrische. Morgenspaziergang. Wohltuende Architektur, niedrig gebaute Häuser. Kalte Gassen mit buntem Laub auf der Erde. Der Name auf einem Grabstein. Das Leben, das hinter sich gebracht wurde.

 

 

34 / Das immer wieder schöne, anstrengende Leben.

 

 

35 / So verunsichert, dass eine Handbewegung sogar des Partners in Irre führen kann. Voraussetzung: in diesem Moment nicht verbunden zu sein, oder keine Bindungskräfte aufbringen zu können, in wackelige – schlecht vorgeprägte – Gefilde innerhalb des Nervensystems geraten zu sein.

 

 

36 / Im Frühstücksraum musste die innere Grenze errichtet werden. Also überhaupt: dass sie errichtet werden musste, um sicheren inneren Raum dahinter wahrzunehmen. Sicherer innerer Raum, der in anderen Lebensphasen wie für immer da gewesen war.

 

 

37 / Gestern auf dem Deich. Wie bei geschlossenen Augen die Farben ineinanderliefen, neue Formen sich errichteten. Herrliche, sonderbare Gemälde. Ein Maler ohne Ausdruck.

 

 

38 / Steinhausen. Unfassbar angenehme Wohnkultur - - - Raum. Ein Ort, wo die Jahreszeiten erlebt werden können. Herbstfülle. Ort, der viel innere Leere zulässt. Keine Läden, keine Werbung, kaum Störendes. Gleich am Meer.

 

 

39 / Wie es hingegen kam, wenn einem Menschen kein innerer Raum mehr bleibt. Die Lösung wirklich, das schändliche Urteil – das in einem selbst – restlos zu bejahen, sodass es ggf. aufgehoben werden kann und neuer, ungebundener Raum entstehen kann.

 

 

40 / Ein Reiz besteht aber offenbar darin, sich mit seiner Disposition zugrunde zu richten. Heißt nicht, diesem Reiz entscheidend nachzugeben.

 

 

 

 

41 / Neues Kurhaus. Abendessen mit Fensterplätzen am Meer. Wie verbunden und angeregt du sein kannst. Wahrnehmungen, beiderseitig bezogen, voller Wunder. Die Scheiben – eine Wand aus Scheiben zum Meer hin – bald schwarz, der Innenraum spiegelte sich darin. Gesehen werden können von außen. Abbruch von Verbundenheit. Als ginge ein Gegenteil von Sonne im Kopfe auf. Es können Wörter wie »entrückt«, »sonderbar« suggeriert werden. Müdigkeit, die augenblicklich auf den andern übergeht. In dieser Sphäre erzeugt sich keine Lust mehr, keine Angeregtheit. Wieder draußen: ein schwarzes Meer, an dessen Ende die Lichter von Wilhelmshaven. Wind und ein erster Keim aus großer Öde. Ja, dies zu kommunizieren, längst geschehn. Ja, die »Urszene« beschrieben, erläutert. Und im Weiteren fiel schon mal ein Satz wie: »Es gibt Situationen, in denen habe ich einfach keine Stimmungen.« Umschreibungen, die auf das Ganze hin wohl nicht verstanden werden können. Es wird wohl im aktuell Zwischenmenschlichen gesucht, was passiert sein könnte, und schwer bis gar nicht geglaubt, dass dies eher marginalen Einfluss hat. Der Mensch mit Schmerz, der sich in wirklich schönen Räumen und Situationen zu rechtfertigen oder zu erklären hat. Und es geschieht nichts Besseres, wenn er es nicht tut. Ja, nicht nur der Partner ist nur begrenzt interessiert, so deine Vermutung, glaubt dasjenige zu kennen, hält es für »altes Zeug«. Wurde früher weggesperrt, »das alte Zeug«, gegebenenfalls ein ganzer Mensch, hat heute auf den Marktplatz der Therapie zu gehen. Alles löst sich langsam wieder, normalisiert sich, alles wieder grundlegend in dir verbunden. Tatsächlich. Und doch bleiben jene Momente der Erinnerung, ein Abendessen mit Fensterplätzen am Meer, manchmal leuchtende Momente, die so jäh abbrachen. Etwa so, als würde man in den Dünen plötzlich auf ein verwestes Gebiss stoßen oder auf etwas dieser Art, das man sich nicht erklären kann. Das Unheimliche. Nein, Vergleiche gehen einfach nicht, sie können die wahre Energie des Prozesses nicht zum Ausdruck bringen. Es war, in jenen Momenten, ein Ringen um Verbundenheit. An solcher Stelle würde die Rede vom Loslassen zum Geschwätz. Denn würde es losgelassen, dieses Ringen, in diesem Prozess, wäre da noch Verstörenderes. So wurde durch große Anstrengung, möglichst unangestrengt, nichts wirklich Gutes erreicht. Aber doch: punktuell eine Mindestbasis von Verbundenheit aufrechterhalten. Das war bei dem, was zugrunde liegt, mehr als manche Leistung, die als »groß« angesehen wird.