Carl sagte: »Ich war nie so, brauchte es nicht, aber es kam der Zeitpunkt – eines materiellen Engpasses –, in dem ich einmal hochrechnete, was meine Existenz in diesen Breitengraden am Tag eigentlich kostet - - -. Und es ging mir wie wohl jedem, um all das wissend, all das ahnend, ich war bestürzt . . .
Ich suchte also zu reduzieren und war mit einem Gutteil Zwangsabgaben – es ist schon das richtige Wort – konfrontiert. Beispiel: Ich habe weder einen Fernseher noch ein Radio, aber Grundgebühren abzuführen, wozu? Es gibt keinen anderen Grund als den, ein sich gern mästen lassendes Sparschwein noch fetter zu machen. Die jüngste Gebührenerhöhung (2021) zeigte, wie das verläuft, was sich hinter ›öffentlich-rechtlich‹ verbirgt.
Während ich, wie so viele, nun mit kleinen Beträgen zu rechnen habe. Höhepunkt der Analyse bei dem, was sich denn reduzieren lasse, war eine Krankengeldversicherung. Nun muss ich leider sagen, wie ich bislang mit solchen Dingen umging:
Als ich meinen Fernseher einst der Caritas überließ und dies der GEZ meldete, dauerte es noch elf Jahre, bis ich auf eine damit zusammenstehende, aber getrennt gehandhabte monatliche Abbuchung stieß, die ich erst dann stoppte.
Im Falle der Versicherung dauerte es fünf Jahre, bis ich mir die Akte ins Feld der Sichtbarkeit legte. Und weitere anderthalb Jahre, bis ich hineinsah – um . . . festzustellen, dass es sich um etwas handelt, was ich wohl niemals beanspruchen werde. Es sei denn, man spielt den Gedanken der Angst in all seinen Varianten, Eventualitäten mit. Ich sah, dass der monatliche Beitrag im Laufe der Zeit um hundert Prozent erhöht worden war. Und vor allem, dass es keine Kapital-bildende Anlage war, dass ich also nichts rausbekomme. Ich hätte das Geld jeden Monat auch auf die Straße kippen können. Dort hätte es dem Finder wenigstens eine Freude gemacht. Wäre ich achtsamer gewesen, in beiden Fällen, hätte das zum Beispiel ein neues Auto ergeben. Oder wie wäre es einmal mit sechzehn Wochen in der Karibik? Das käme auch hin.
Als die Versicherung abgeschlossen wurde, hatte ich seinerzeit nur dabeigesessen. Ich erinnerte mich nun an die Verkaufsargumente: Dass, wenn man lange krank sei, auch ein bisschen Geld habe. Und: Wenn man die Versicherung nicht brauche, sei es ja umso besser. Das war der Text. Als handele es sich um Wohltätigkeit. Unterschlagen wurde . . ., dass es nur um die Provision desjenigen ging und darum, ein Konto fortlaufend zu belasten.
Mit der Kündigung der Versicherung war ich dann mit drei Monaten ›Kündigungsschutz‹ konfrontiert. Schutz? Für wen? Für eine Firma, die über, über die Maßen verdient.
Und musste an Situationen denken, in denen ich Schutz gebraucht hätte und nie welchen bekommen hatte!
Es kam mir plötzlich so bekannt vor . . . Das ist doch dieses Prinzip, das ich so gut kenne. Nie etwas erhalten, immer nur gezahlt – einmal parallelisiert mit inneren Prozessen.
Aber hier handelte es sich ja um einen Vertrag. Und der Punkt ist leider: Ich spielte dem selbst zu.
Meine Schuld . . .: Ich habe unterschrieben; ich habe es nicht eher beendet.
Eine Falle dabei ist auch die automatisierte Abbuchung. Wird Monat um Monat selbsttätig überwiesen, wie ich das inzwischen mache, wird auch gespürt und besser geprüft, was eigentlich gemacht wird . . .
Es handelt sich also um eine Lektion, die ich mir selbst verabreichte.
Wie viele Lektionen es doch gab, die ich mir gewissermaßen selbst auferlegte.
Vertrag . . . Und betrachtete Leben einmal unter diesem Aspekt. Ausbildungsvertrag. Ehevertrag. Kaufvertrag. Rentenversicherung. Auch Schulpflicht, bei dieser Art von Schule, die ebenso sinnvoll, wie sie vielfach Lebenszeit stiehlt. Das alles ist rechtlich verankert. Gut, das einmal so zu sehen«, sagte Carl, »und jemand ist gut beraten, wenn er sich ganz genau ansieht, was innerhalb solcher Verträge passiert.
Eine gute Schlussfolgerung ist, sofern man sich reif dafür fühlt: sich von allem zu trennen, was nur anderen dient, unsichtbaren ›Herren‹ und ›Damen‹, die im Zweifelfall für nichts einstehen.
Gut: das eiskühl im rationalen Raum mit sich zu verhandeln. Nötig, weil es ggf. viele Schmerzen nach sich zieht, die ausschließlich, wie der Volksmund so sagt, an einem selbst hängen bleiben.
Als der Vertrag aufgelöst war, lag es da, das nun wertlos gewordene Zertifikat, weil . . . nicht mehr gezahlt wurde, nicht mehr ausgesaugt werden kann. Schon die Art, wie das Zertifikat gestaltet wurde: anonymisiert, substanzlos, hohl.
Für den ›monatlichen Beitrag‹ hätte ich oder jemand im Monat zwei größere Einkäufe machen können: da wird dann bei dem, was gegeben wird, auch etwas erlebbar.
Ein vertrauter Mensch schilderte einmal, als er jemandem auf den wohligen Teppichen eines Versicherungsgebäudes folgte, dass er den Eindruck gehabt habe, einen Messerstich in den Rücken zu bekommen. Es sind Signale.
Und . . . ach ja . . . Erinnerung an den seinerzeit 30-jährigen, selbstständigen Versicherungsmakler, der an einem Juli-Morgen, zu einem Termin, in seinem Ferrari Cabriolet vorgefahren kam.«