Ein Engel ist einer, der mich aushält, auch wenn mich niemand sonst mehr aushalten kann – auch nicht ich selbst.
(Anselm Grün, Engel die dich begleiten)
»Zu diesem 'Modell', das unterlegt ist, gehört es also«, sagte Carl, »dass der andre abhängig wird und ggf. allein nicht mehr lebensfähig ist. Das ist ganz sicher nicht gewollt, ganz – sicher – nicht! Doch der Besitzanspruch geht so weit, dass im Zweifelsfall ein solcher Druck aufgebaut wird – durch die Wirkung des Liebesentzugs –, ein solcher Druck, mit dem andere Kontakte, sofern sie nicht gänzlich 'harmlos' sind, oder Ein-damit-im-Frieden-Sein, einfach nicht mehr gedeihen können. Und *kaum mehr lebensfähig zu sein* tritt in dem Moment ein, wenn 3 Voraussetzungen erfüllt werden: (1) Wenn es für diesen Menschen zu bedrohlich wird UND (2): sich selbst mit diesem Menschen ganz verbunden wurde SOWIE (3): von diesem Menschen augenblicklich abgespalten zu werden.
Aus diesem Grunde denke ich, dass noch nicht viel geklärt wäre, wenn die Kontakte zu den Ex-Partnern eingestellt würden. So könnte ich gleich 3 Situationen aus dem Stegreif nennen, die ebenfalls zu bedrohlich wären, und mit Ex-Partnern nichts zu tun haben. Es wäre also zu erkennen und anzuerkennen, dass es da ein gewisses Problem an der Wurzel gibt.
Sicher, auch ich stieß mich an dem Wort Besitzanspruch.
Ja, solche Wörter sollte man vielleicht nicht verwenden.
Weil: Es geht oder ginge darum, dasjenige weit tiefer zu verstehen.
Etwa über den Ansatz: Wenn ein Mensch sich über viele Jahre einem Tier zuwendet, dann bedeutet das vor allem auch: Sicherheit, die in Beziehung zu Menschen so nicht stattfinden kann.
Dann bedeutet das: Dass der Schmerz einst zu groß war. Dass Alleinsein mit diesem Schmerz so ausschließlich war, dass ein Mensch – in seiner Komplexität und Widrigkeit – nicht mehr infrage kommen konnte.
Somit wurde zum Ausgangspunkt: Verlust.
Und der droht von Neuem
bei der Vorstellung von Ex-Partnern.
Die Disposition von einst greift quasi massiv darauf zu.
Stößt den Projektionsraum zu weit auf: mit Befürchtungen und Vorstellungen, die immerzu mit dem neuralgischen Ausgangspunkt in Verbindung stehen und in ihn hineinstechen und: zu weh tun.
Da, wo ein Mensch bereits zu sehr litt und zu Ende gelitten hat, kann nicht weiter gelitten werden.
An dieser Stelle: wehrt sich der Mensch.
An dieser Stelle trennt sich dieser Mensch vom andern.
Und doch funktioniert das nur mithilfe von Generalisierungen und Ausblendungen.
Der ganze Projektionsraum kulminiert bereits in einem einzigen Wort wie ›Ex-Freundin‹.
Die tatsächlichen Verhältnisse spielen dann im Grunde keine Rolle.
So ist zu erklären, dass meine Rede«, so Lichthof, »an jenem Abend donquichottisch wurde, heißt: Egal was ich sagte, es erreichte sie nicht wirklich.
So deutete sie am Ende, nach all dem, nur auf jenen Gegenstand, nämlich, so kam es mir vor, mit einer unmenschlichen Härte, jener Härte, die ihr einst widerfuhr.
Es regierte die Wunde. Ich merkte es bereits daran, als ich auf einmal wie im tonlosen Raum sprach. Obwohl sie 3 Meter von mir entfernt saß. Ich nannte noch einmal das, was uns verband, das, was wir gemeinsam vor 4 Stunden noch voll gutem Gefühl und freudiger Aussicht festgestellt hatten. Doch es schien keine Bedeutung mehr zu haben, es regierte die Wunde, und sie kann zunächst einmal nur eines: nichten und abändern, was weh tut.
Und setzt sich somit, einschließlich ihrer Schutzmechanismen, an die Stelle der Realität.
Die Wunde war stärker
als alle Worte und jede Präsenz.
Sie – die Wunde – sucht das unterlegte Skript zu bestätigen, bestätigt nur die Ausgangserfahrung, so weit sie auch zurückliegt. Während sie, bei etwas Nachlassen des Schmerzes, Rettung vorgaukelt.
Doch 'Rettung' wäre in dem Fall etwas anderes.«