1.8.2019
Das scheinbar Gleichförmige, scheinbar Langweilige des Sonnenaufgangs auf Fotos. Oder der Sphäre eines Mädchens im Frühstücksraum. Doch das, was immer da ist, und dadurch seinen Wert hat.
Blitzartig kristallisiert sich jene Enge im Kopfe. Von daher ist es nun auch hier schwierig mit Offenheit.
Oft wurde dir vorgeworfen, dass du nicht einfach freundlich bist.
Warst es nicht, weil sie mit augenblicklich hochaufgeladener Fixierungsenge
verunglückt wäre.
Dies ist nicht einfach abweisbar, so, wie eine Entzündung auch nicht sofort abschwellt.
ist Grund dafür, dass du jetzt am liebsten niemand mehr begegnen möchtest.
ist keine «Verschrobenheit« dergleichen (das Wort erklärt im Übrigen nichts).
Es ist die Scham, die du andern und dir nicht zumuten möchtest. Auch deswegen, weil sie nicht allgemein verständlich ist.
Da du nun im Grunde über keine Kontaktebene mehr verfügst bzw. nur noch eine, auf der nichts mehr leicht wäre, geht dein Bewusstsein unterschwelligen Spuren nach.
幽玄
»Einer der vielleicht am schwersten zu fassenden Begriffe der japanischen Ästhetik ist Yūgen (幽玄). Der aus dem Chinesischen übernommene Begriff bedeutet ursprünglich dunkel, tief und mysteriös. Der äußeren Erscheinung nach ähnelt Yūgen der Wabi-Sabi-Ästhetik, doch verweist es auf eine dahinter liegende Dimension, welche das Angedeutete und Verborgene höher schätzt als das offen zu Tage Liegende und klar Exponierte.
Yūgen ist damit vornehmlich eine Stimmung, die sich für jene Andeutungen eines Transzendenten offen hält. Diese Transzendenz ist jedoch nicht jene einer unsichtbaren Welt hinter der sichtbaren, sondern es ist jene innerweltliche Tiefe der Welt, in welcher wir leben.
Eine klassische Beschreibung der Stimmung des Yūgen lieferte der Zen-Mönch Kamo no Chōmei (1153/55–1216):
›Schaut man durch den Nebel auf die herbstlichen Berge, dann ist die Sicht unscharf und doch von großer Tiefe. Auch wenn man nur wenige Herbstblätter sieht, die Ansicht ist reizvoll.
Die unbeschränkte Aussicht, welche die Vorstellung hervorbringt, übersteigt alles, was man klar sehen kann.‹«
(wikipedia)
Berlin, Alexanderplatz. Es geht nun etwas besser, aber so ein klebriger Restbestand sorgt dafür, dass Menschen lieber auf Distanz gehen.
Die junge Leiterin des Jugendgästehauses wird nicht müde (und nicht satt davon), sich immer wieder in allen Menschen zu spiegeln. Sie existiert am andern Pol.
deine Gier . . . hat sich anders auszulaufen. Allein.
Monat August, seine frühere Bezeichnung: «Erntemond«. Längst in der Zeit, von langer Hand Angelegtes zu ernten. Wie sehen deine Früchte aus? Hier sind sie.
Hackescher Markt. Mächtiger Kerl in einem maximalen Verwahrlosungsgrad mit steifen offenen Augen quer auf einer Steinbank liegend. In welchem Todeszustand als Lebender ist er? Oder ist alles noch anders: Es gibt einen Genuss, der erst dann einsetzt, wenn du aus allen Zusammenhängen herausgedreht wurdest.
ja hattest es nicht eingesehen, als »psychisch krank« zu gelten, von höhnenden Tätern dazu gemacht.
Freundin aus zurückliegendem Jahr. In den letzten Monaten war die Entzündung zum Dauerzustand geworden. Es gab kaum ein Eintauchen mehr. Es hat dich so weit heruntergebogen, dass du bereit wärest, es unter dem Aspekt »psychischer Krankheit« zu sehen. Sie war am Ende erschöpft davon. Es tut dir, unendlich, leid.
So feine Sphäre vieler Mädchen und Frauen, die
zugleich keinerlei Störfaktoren vertragen.
Somit sind sie nur zu haben für ihres gleichen.
Junge Frau hält sich beide Ohren zu, als Rettungswagen vorbeischallt.
In ihrem Alter tat ich es auch. Im Wunsch frei zu bleiben von jeder Art (weiterer) Schädigung.
Bode-Museum. Die Bestände erreichen die Neuzeit noch nicht. Unglaublich schwer, schwerfällig und steif das, was zu sehen ist. Voll Leiden. Jenseits sexueller Befreiung. Es gilt noch weit mehr für die deutsche Abteilung als für die französische und italienische.
Hummus & Friends. Lokal mit nur Hummus-Gerichten. Wie gut, abseits vom Wohnort langsam zur Ruhe zu kommen – hier, auf einer bequemen roten Couch vor einer Homemade Cranberry Lemonade zu sitzen, einen großen Raum bis zur Straße hin zu überblicken und auf ein Essen zu warten. Durch das, was Psychologen zunächst einmal «Störung« nennen würden, erschaust du – auf einem gerahmten Wandfoto – solche Zeittiefe und aufschlussreiche Geheimnisse, die anders nicht zu haben sind.
Pergamon-Museum. Nachmittagsmüdigkeit. Viele Auren, die irgendwie im Wege standen, sicher auch die eigene. Islamische Kunst, die punktuell verzauberte.
Das Bitterste wäre noch zu machen (bzw. nochmals zu machen): Die zugrunde liegenden Realien zu erzählen. Dann wäre es komplett und vollbracht. Im Gegensatz zu einem Topos in der Literaturwissenschaft, der solches für «nicht erzählbar« hält, lässt sich dasjenige sehr wohl erzählen. Was verstanden würde, ist etwas anderes. Ich vertage es nochmals, möchte es aber nachholen. Weil: Es führt kein Weg daran vorbei. Jedenfalls dann nicht, wenn 100 Prozent authentisch gelebt werden möchte.
Überflüssig hier: Eine Problematisierung der Wörter «authentisch« und «100 Prozent«.
. . . heute war scheinbar plötzlich jede Stimmung «wie weggeblasen«, und das war gut; es ging wohl darum – ich interpretiere mein Unbewusstes –, ganz nüchtern wieder zu existieren. Es korrespondiert damit, seit zwei Tagen punktuell auf Kunst zu stoßen, die mir etwas sagt. Besonders die ägyptischen Toten-Darstellungen, die ich nochmals neu erlebte, hatten mich tief, tief innehalten lassen. Ich habe nur die Gesichter/Masken fotografiert, auf oder in denen eine sonderbare Freude liegt.
Sich treiben lassen, 10 Stunden am Tag. Am Ende solchen Tages etwas leer. Es wundert nicht, wenn so viele Menschen durch einen ziehn.
sich wirklich und ganz Zuhause mit einem Menschen zu fühlen, fehlt.
. . . legte mich hin, konnte mich kaum mehr bewegen, erinnerte ein Foto von mir und meiner Mutter, als ich 13 war, am Strand von Bulgarien, wie beweglich war ich da, wie jung meine Mutter, ich schloss meine Augen und war ganz friedlich, ich lag in einem Etagenbett des Jugendgästehauses als 56-jähriger Mann, oben, überdies im sechsten Stock zum Fenster hin und suchte das Zeitvergehen und seine Folgen im Universum zu realisieren, da war kein Trauma mehr, nur noch Natürlichkeit meines Wesens.