Das Selbstgefühl, wie es sein mag, die hoch aufgeschossene 14-jährige, wie sie ihr langes blondes Haar beim Stadt-Gehen aus ihrer Stirn bläst, alles hellsternig nah um sie. Zeit vor dem Einschnitt. Menschenhimmelsan-Klang, ja, und doch ist es ein „halb und halb“, in der Empfindung. Halb noch in wohligen Milchmeeren der Mutter, doch halbe Unwissenheit drückt. Vorprogrammiert drückende Erfahrung, um zu wissen.
Die Herausforderung lautete offenbar: alles zerbrechende Dissonanz, mit ihr zugrunde gehend erwachen, in neuemanderem Sehen.
Sich wirklich offen schreiben …, und auszusagen, dahin gekommen.
Harmlos erschien vieles. Doch bei genauerer Sicht gehörte manches davon zum Alptraumartigen, das sich erst später als solches herausstellte.
Männer der Um-Gegend erscheinen auch mir überwiegend stumpf? Jedenfalls: Hoch inspirierte Jungen- und Jugendlichkeit, transformiert ins Über-Erwachsene und dort angereichert, ist etwas anderes.
Mayröckers leitmotivisches „ich bin durchgeknallt“, ich fühle mich zunehmend besser damit. Carl hätte es einige Male noch sein sollen, „durchgeknallt“, bevor er sich in einer Urne auf den Friedhof legen ließ. Mit 18.
Aufreißender Donner, hell zuckende Blitze, gießender Regen. Verdunkelung, Grad um Grad, weitergetrieben. Wie kalt das eigene Antlitz erscheinen kann, wie nicht zu sich zugehörig. Ein gewisser „Motor“ sind diese Zeilen, sonst habe ich den Eindruck, dass mit jedem Schritt mein Leben aufhört. Carl, wie konnte es sein, sein Leben selbst abzugeben, für immer, jetzt ist Mai. Im März trafen wir uns noch. Ausbrechen, ja. Aufblendende Sonne, heftiger Regen. Mit leicht gesenktem Kopf, äußerlich reglos sitzen. Verdunkelung des Kuhauges. Wo kommt das jetzt her? Wiese im Sauerland. Erst Sonnenschein, Gewitterdunkel am Nachmittag. Übergänge unbekannt. Setzte sich, in Calcutta, so schwarzes Mädchen gegenüber, offen stehender Mund, aufgerissene Augen, roch aus allen Poren nach Regen, Verwahrlosung. Carl, wie kam das, dass du als Kind schon nicht in den hellen Nachmittag wolltest? Was für ein dunkler Zug. Dass sie von ihrem Sohn spricht, Nicole, auch das erscheint jetzt ungeheuer. Was wird denn damit gesagt: dass sie Geschlechtsverkehr hatte, heftig und erfolgreich …, nun mit dem Mensch aus ihr zusammenlebt. Kindheits-Sommer. Was einem Mädchen, einem Jungen gezeigt wird. Dann sind es Personen, in welcher Weise? Mit 16 „schottete ich mich ab“, wie gesagt wurde, gegen Welt, wilder Traum. „Da war kein Herankommen.“ Woran nicht? Regen läuft in langen Fäden, so läuft auch Blut, an der Scheibe. Sehr junge Bedienung dieses Cafés, das ist es eben, weit weniger ausgekocht als angenommen, lässt sich schmeicheln, verspielt, identifiziert das Gegenüber, Absicht offenbar nicht. Blues, Musik. Aufenthalt auf der Erde. Nicht, dass es andern gäbe. In Ausbildung, auch sonst, fällt und steigt vieles mit der Person. In Indien; erlernt jemand die Sitar, kommt es vor, dass Schüler ein paar Jahre beim „Meister“ wohnt. Während, massenweise auch in Deutschland, Jugendliche verhökert wurden, werden. Kindhaftigkeit. Ist einzubeziehen. Wäre mir damals nicht ein sehr bestimmter Plan […] auferlegt gewesen, ich wäre […] ein halbes Leben geblieben. (Rilke) Es musste offenbar ein eigener Plan sein. Man verstand ganz recht, ich ließ mir, in dem Sinne, nichts sagen. Evaluation, solches Wort, kam später. Woraus bestand mein Plan, wenn ich einen gehabt hätte? „Kulturell bedeutet Überschreitung: Aufkündigung des Selbstverständlichen. Ein als gegeben angesehener Orientierungsraum wird zugunsten einer partiell oder vollständig differenten Orientierung verlassen. Zum Beispiel ist die Geste der ›Hinterfragung‹ auf kulturelle Überschreitung hin angelegt. Das Selbstverständliche weniger selbstverständlich machen, darin besteht die Grundnorm der Überschreitung, die ihrerseits Züge des Selbstverständlichen annehmen kann.“ (Schödlbauer, Exkurs über den Exzess) Was wurde nicht ausgehalten und warum also nicht? Andererseits, viel zu brav, schwer zu fassen? Dieser Antrieb, sich ganz auszusetzen