Eskalationsstufe 1

 

Alles sei Plan, die ganzen Corona-Maßnahmen, weit bevor Corona überhaupt angefangen habe, sagt sie, um in die Diktatur zu führen und Menschen noch mehr zu Arbeitssklaven zu machen.

 

Alles wird über einen Kamm geschert, entnimmt er ihrer Rede, und es kommt nur dabei heraus, dass alles Teufelei ist. Jeder Zwischenbereich: Nichtwissen, Irrtum, Selbstzweifel, die sich bei Politikern wie bei jedem einstellen können, bleiben unberücksichtigt, kurz: die ganze Komplexität wird ausgeblendet. Diktatorische Anordnungen sind ihrer Natur nach simpel. Wie es dazu kommt, aber sicher nicht.  

 

Er hatte alles vorbereitet, bevor sie kam, um morgen mit ihr ihren ersten Jahrestag zu begehen. Und nun klebte sie beim Spaziergang wieder so lange an dem Corona-Thema, und zwar in einer Weise, dass er nun mit deutlich »seelenlosen« Anteilen auf dem Bett liegt.

 

Eskalationsstufe 2

 

Er sagt ihr, wie er sich fühlt.

 

Dann fragt er, was sie sich fühle.

 

Sie sagt, dass sie von Anfang des Treffens an bei ihm »Distanz« gespürt habe.

 

Er hält für sich fest, dass sie nicht sagt, wie sie sich fühlt, sondern etwas anderes hineinbringt.

 

Er macht den Fehler, wie er sofort spürt, nicht nachzuhaken, wie sie sich fühle. Sondern sagt: Wenn da Distanz gewesen sei, habe es damit zu tun, dass er seit einigen Tagen nicht mit ihr in Verbindung sei. Was damit zu tun habe, dass sie einfach nicht konstruktiv über den nun weiter zurückliegenden Konflikt gesprochen hätten.

 

Eskalationsstufe 3

                                                                                           

Sie sagt nun etwas zu dem weiter zurückliegenden Konflikt.

 

Er erkennt dabei, dass sie es in folgender Weise äußert: Sein Verhalten wird falsch, ja falsch wiedergegeben. Falsch ist einfach falsch. Das, worauf es ankam, wurde von ihr nicht gesagt. »Nicht wahrgenommen«, wie sie auf Nachfrage sagt.

 

Diese entscheidende Auslassung bedeutet, dass sein Verhalten nicht nachvollziehbar ist.

 

All das signalisiert, dass sie o.k. ist. Und er nicht o.k. ist. Dass sie – wieder einmal – einen Brocken, nämlich unverständliches Verhalten von seiner Seite, unberechtigterweise und ohne jede Schuld zu schlucken hatte.

 

Er hatte in den zurückliegenden Tagen sehr unter dem nicht konstruktiv besprochenen Konflikt gelitten.

 

Sie hatte auch sehr darunter gelitten.

 

Er sagt, wenn ich mich so verhalten hätte, wie du sagtest, würde ich von außen vermuten, dass man es mit einer Art Idiot zu tun habe.

 

Er sagt, das Verhalten von beiden ist nur dann zu verstehen, wenn es korrekt wiedergegeben wird und innerhalb von Wechselseitigkeit verstanden wird.

 

Sie sagt nichts darauf.

 

Er ist außer sich. Weil sie dieses Muster schon oft einbrachte und zu große Schmerzen verursacht hatte.

 

Nämlich die: Gegenteilig oder entscheidend anders zu dem verstanden worden zu sein, was er äußerte und wie er sich verhielt. Was seinen Gefühlen für sie ins Gesicht spuckte.

 

Er fragt sich, ob es ein Muster sei. Oder fehlende Aufmerksamkeit? Oder ob es so sei, dass sie zwanghaft (oder nicht zwanghaft) nur das verstehe, was in ihre Befürchtung und in ihre Argumentation passt?

 

Eskalationsstufe 4

 

Er sagt nun Dinge, die er unbedingt vermeiden wollte. Er sagt, dass sie keinen gemeinsamen Raum der Konfliktbearbeitung hätten. Dass sie in solchen Situationen nur Wahrnehmungen und Argumente gegen ihn sammle. Und dass es bei ihm selbst wahrscheinlich auch so sei. Dass diese Art der Konfliktbearbeitung nichts mit Liebe zu tun habe. Dass da nur der jeweilige Verstand gegen den andern anträte. Dies Krieg sei. Und sich so eine Beziehung nicht führen lasse.

 

Sie sitzt da und sagt nichts dazu.

 

Er geht auf Toilette, um sich etwas Luft zu verschaffen.

 

Eskalationsstufe 5

 

Als er zurückkommt, fragt er sie, ob sie ihm helfen könne, hier wieder herauszufinden?

 

Sie sagt Nein.

 

Er spürt, dass er zu weit gegangen war. Er spürt eine eisige Stille zwischen ihnen.

 

Er steht auf. Er sagt »Warum erreichen wir uns nicht?«

 

»In eine Situation zu kommen wie jetzt, kann passieren.«

 

Und er denkt daran, wie reich der Tisch gedeckt ist, der Rahmen geschaffen wurde, beide jetzt Zeit füreinander hätten. Und nichts als die Corona-Maßnahmen-Klage über einen langen Zeitraum von ihr angestimmt wurde, so, dass es ihn völlig verzogen zurückgelassen hatte.   

 

»Warum machen wir nicht irgendetwas, um da herauszutreten, um uns zu erreichen?«

 

»Schreien, sich bewegen, rausgehen, rennen, sich nebeneinander legen, um den andern auch körperlich wieder zu spüren.«

 

Sie sagt nichts.

 

Er sagt: »Ich möchte dich bitten, zu sagen, was du fühlst. Damit ich einen Anhaltspunkt habe.«

 

Sie sagt nichts.

 

Nach einer Zeit sagt er: »Bist du in der Starre? Sag es doch, wenn es so ist.«

 

»Hast du Angst?

Fühlst du dich von mir bedroht?«

 

»Du brauchst keine Angst zu haben. Wir kennen die Situation doch schon. Sag bitte, was jetzt in dir ist.«

 

Sie sagt: »Ich möchte nur noch nach Hause.«

 

Er sagt: »Das ist das Muster der Flucht oder einfach Flucht, was du jedes Mal einbringst.«

 

»Du gehst einfach nicht in Beziehung.

Du sagst nicht, was du fühlst.«

 

»Du beziehst dich nicht wirklich.«

 

»Du hast im Konflikt noch nie ein Gefühl in dem Sinne mir gegenüber ausgedrückt.«

 

»Du dürftest schreien. Du dürftest mich anschreien. Ich halte es aus.«

 

»Bitte, drück endlich dein Gefühl aus, damit wir hier rauskommen.«

 

Sie sagt: »Es scheint einfach nicht zu passen. Wir hatten doch Konflikte von vornherein.«

 

Er sagt: »Im Verhältnis zu der Zeit, in der es gut war, ist das eine kleine Zeit.«

 

Er sagt: »Ich verzweifle an deinen Interpretationen, Einseitigkeiten, Pauschalierungen unter Auslassung des Guten.«

 

Sie sagt, dass sie jetzt tatsächlich gehe.

 

Er sagt, dass sie es gewiss nicht wolle, sich aber eiskalt verhalte, er fühle sich behandelt wie abgehängtes Vieh.

 

Er sagt, dass nicht ein weiterhelfender Impuls von ihr ausgegangen sei.

 

Er sagt, sie sitze nur in der Lähmung da und sage nichts, ergebe sich dem.

 

Er sagt, dass sie jetzt bitte etwas von ihrem Leben zeigen solle.

 

Er sagt, dass sie nicht aufbegehre, gegen das Unheil in der Beziehung, gegen die Corona-Maßnahmen sehr wohl.

 

Er sagt, dass sie sich in der Beziehung aber verhalte wie bei den Corona-Maßnahmen: dass nicht ein gutartiger Impuls dabei sei.

 

Er sagt, er habe wieder nicht die richtigen Worte gefunden. Aber er habe es wenigstens versucht, irgendwie in ein Leben zu finden. Was er gesagt habe, habe auch mal ausgesprochen werden müssen, da sie ja sonst nicht mehr sprächen, seit etwa vier Wochen. Sein Verhalten sei ein Ruf nach Liebe gewesen.

 

Sie sagt nichts.

 

Er lacht irgendwann wie irre, weil kein Mittel da ist. Nur Ausweglosigkeit »wie bei Menschen auf 'minderer' Stufe«. Er wird so etwas wie polemisch, was ihm sehr leidtut.

 

Sie sagt: »Es reicht. Ich habe mir genug anhören müssen.« 

 

 

II

 

 

Am Tag, bevor sie kam, hatte er formuliert:

 

»Beziehung. Zwei Welten zwischen uns.

1 Konfliktfrei = ist es wunderbar.

2 Es ist inzwischen so, dass nicht einmal in bester Absicht gesprochen werden kann.

Weil beide sich innerhalb einer Sekunde so sehr erregen (können), dass alles Gute zwischen uns scheußlich überlagert ist.

Wird dann weiter gesprochen, egal was, wird es immer schlimmer.

3 Daher gilt es für uns, in der gemeinsamen Konsistenz möglichst rein zu bleiben.

Und keinen Beitrag mehr zu leisten, der diese Erregung hervorbringt und forciert.

4 Nur jenseits solcher Erregung sollten wir sprechen. Und zwar so, dass die Erregung ausbleibt.«

 

 

III

 

 

»Ich lag dann, als sie gefahren war, allein. Bereits nach Mitternacht. Dinge, die unfreiwillig in mir produziert wurden, mit denen ich nur noch sterben möchte. Vor einem Jahr, wie schön war es da gewesen. Ich versuchte zu entkrampfen, immer wieder feststellend, wie sehr sich alles in mir zusammenzog, als hielte ich an etwas fest, das nicht mehr da war.«    

 

 

IV

 

 

»Ich erinnerte mich, dass sie weinend dagesessen hatte und zitterte. Ich bedaure, schon so hinüber gewesen zu sein, dass ich nicht darauf einging. Sie hatte plötzlich gesprochen wie in einem Gebet.«

 

 

V

 

 

»Ich habe einzubeziehen, dass mich ihre Struktur im Konflikt irre macht. Dass sie mich derart aufregt, dass ich so re-agiere. Von der ersten Sekunde bis heute liegt das, bei ihr wie bei mir, unverändert vor. Ich bin dem einfach nicht gewachsen bzw. ich reagiere mit Gefühlen, die Raum und letztlich Aufnahme bräuchten. Und da sich das nicht ereignet, beiderseitig sich nichts Heilsames ereignet, ist nun die Konsequenz zu ziehen.«

 

 

»Richtig, ich habe ganz handfeste Kritikpunkte, teilweise auch für mich geltend.

1 Dass ich im Konfliktfall nicht genau wahrgenommen werde und letztlich völlig verdreht wiedergegeben werde, idiotenartig.

2 Dass im Konflikt Selbstreflexion zu wünschen übriglässt.

3 Dass sie im Konflikt ihre Gefühle nicht ausdrückt.

4 Dass im Konflikt nichts Gutes, nichts Weiterhelfendes kommt.

5 Dass im Konflikt nur ein Verstand gegen den andern antritt, da keine Liebe ist.

6 Dass in entscheidenden Momenten nicht differenziert wird: Einseitigkeiten und Pauschalierungen das Feld beherrschen.«

 

 

VI

 

 

»Dass sie in diesem Ausmaß und in dieser fanatisierten Weise dieses Thema protegiert und bevorzugt und abwesend darin ist scheint ein Beleg dafür zu sein, nicht – auch – auf dem Weg der Liebe zu sein hinsichtlich Beziehung und Erfüllung für sich selbst.«

 

 

VII

 

 

»Sie war wohl die ganze Zeit über in der Opferhaltung, selbst ihm gegenüber, also die ganze Zeit über in Projektionen, um nicht tätig werden zu müssen.

 

 

Auch ihre Einschätzung, dass er in konfliktären Sequenzen ›wie ein anderer wirke‹, ist vor allem die Flucht davor, sich einmal wirklich etwas beim andern anzuschauen und sich mit dafür einzusetzen, dass es anders wird.«