Teil 3: Vadu

 

 

 [Leon Alex, Lovers] 

 

 

 

 

Der Augenblick

ist mein

 

[Andreas Gryphius] 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

  1. Juli 2018

 

 

 

Vadu. Erinnerung daran, als Junge bis zuletzt im Meer geblieben zu sein.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

  1. Juli 2018

 

 

 

Sphärische Musik in dem Garten. 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Wie ist meine räumliche Orientierung?

Prinzipiell schlecht. Weil so sehr im JETZT, dass für räumliche Strukturen kaum Wahrnehmungsraum bleibt.

Erinnerung daran, wie gut Orientierung gewesen war, als ich zum Beispiel den Ehrgeiz gehabt hatte, einst, eine bessere Orientierung als Vater zu haben.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

  1. Juli 2018

 

 

Traum: Fuhr in die Stadt. Suchte nach 2 bestimmten Büchern, es war sehr aufwendig, fand sie. Fuhr mit dem Bus zurück. Eine Frau saß neben mir, eine andre vor mir, am Fenster und auf kleinem Raum. In meiner Wohnung stellte ich fest, dass ich beide Bücher im Bus vergessen hatte.

 

 

 

 

 

 

 

Hörte mich sagen:

»Ich vertrag es nicht, wenn meine Identität in Frage gestellt wird, denn im Kern bin ich absolut gut.«  

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

  1. Juli 2018

 

 

In der Nacht Ausbruchsgewitter ausgeschwitzt. Sonderbar heilsam erwacht.

 

 

 

 

 

 

 

Tage an solchem Meer, solchem Strand. Keine Hotels, keine Boote, kein Eisverkäufer, nichts mehr, das stört.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Ganz still im Meer ist es und um es herum.

Im Meerwasser zu zweit, unheimliche Stille.

Gelegentlich ein Vogellaut, sonst nichts.

Und am Ende des Blicks

Ununterscheidbarkeit zwischen Himmel und Meer.

 

 

 

 

 

 

 

Das Offene, hier ist es.

 

 

 

 

 

 

 

Erinnerung daran, als 19-jähriger, wie jetzt, ein «Ende der Welt» ausgelaufen zu haben.

 

 

 

 

 

 

 

Am Morgen plötzlich näheren Blick für Badkacheln gehabt . . . für Details dieser Art. Ob hier »für die Ewigkeit« geblieben werden könne 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

  1. August 2018

 

 

Traum: Im Zug fahren. Alles scheint normal, jeder so normal wie er kann. Auf einmal spüre ich nur, es hat sich etwas grundlegend verändert. Es wird unheimlich und realisiere, bin mit einem Schlag allein in dem Abteil. Und auch der Zug ist nicht mehr da, ich fahre allein in einem Waggon, der abgehängt wurde. Und jetzt weiß ich auch, wo es hingeht. Es ist von Neuem jener Ort, wo jenes geschah. Ich werde verkleinert bis auf den Boden hin. Und isoliert, absolut negativ isoliert. Da ist nur noch der Selbst-Beobachter als Not-Instanz. Der Waggon hält. Die Einzigen, die zusteigen, sind meine Eltern. Sie erkennen mich mit ihrer schönen, freudigen Identität. Aber scheinen nicht zu merken, jedenfalls signalisieren sie es nicht, wie es mir wirklich geht.

 

 

 

 

 

 

 

 

Sich lieben im Meer. Etwas kommt hinzu, das überwältigt. Urmasse als tragendes Element. Ein ganzes Meer.

 

 

 

 

 

 

 

 

Auf empfindsamste Weise den empfindsamsten Blick eines kleinen Mädchens für ein paar Momente halten. Solche Begegnung.

 

 

 

 

 

 

Furcht davor, »jene Zeit» mitzuteilen. Weil sich jederzeit dann vorgestellt oder imaginiert werden kann, wie ich in ihr aussah. Das nimmt Freiheit im Umgang.

 

 

 

 

 

 

 

Am Nachmittag ganze Menge Sprotten im Lokal am Meer essen, Salat und Minzlimonade. –

 

 

 

 

 

 

Veränderung des Meeres. Schon nach drei, vier Metern im Meer

solcher Sog, dass Körper kaum mehr dagegen ankommt.

 

 

 

 

 

 

 

Vor Wellen stehn. Freundin in so leichterschöner Spielfreude. Selbst schwer über Todernst jetzt hinauskommen. Ihr Übermut. Provoziert, treibt’s »auf die Spitze«. Diese viel jüngere Freundin. Wann ist sie abzugeben?

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

  1. August 2018 

 

 

 

Erinnerung daran, als Jugendlicher kaum mich getraut zu haben, in Gegenwart von geschätzten Gleichaltrigen meine Sachen einfach zu machen.

 

 

 

 

 

 

 

 

Nachmittag im Garten. Alle andern »ausgeflogen«. Zu zweit so still in fast stiller Natur.

 

 

 

 

 

 

 

 

So entspannt, vergessen, Shirt anzuziehen. Im Weggehen auch bemerken, vergessen zu haben, Schuhe anzuziehen.

 

 

 

 

 

 

 

 

Erinnerung daran, einst, am Meer über berufliche Nahperspektive und Zukunft mit Vater gesprochen zu haben. »Nicht den Dreh bekommen zu haben«, der wahre Talente und Authentizität gefördert hätte.

 

 

 

 

 

 

 

Sand, der sich kaum mehr von der Haut löste, nur nach diesem Abend, an dem dieser gewaltige Sog durchs Meer ging.

 

 

 

 

 

 

Wie als Kind sich gegen Wellen schmeißen, wenn sie steigen und kippen im grünsten Stand.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Nachtautofahrt. In Lieblingsmusiken der Freundin tief hineingehen. Laut klingen sie Richtung Meerweite. Ihre Musikalität, ihr wundervoll durchbrechendes Leben      feiern.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

  1. August 2018 

 

 

 

 

Am Strand Freunde finden. Begann mit einer Skepsis. Offenheit und Antwort bereiteten einen Weg. Ähnliche Meinungen zu identifizieren, feste Händedrucke zur Bestätigung, die Wesen der andern anfangen zu mögen. Zum Bier eingeladen werden. Mit um zwanzig hätt’ ich das noch gemacht. Sich wiedersehen wollen, gern einfach im Sommer zusammen sein und nichts weiter, im wachsenden Rausch auf Wellen und sein Leben sehen.

 

 

 

 

 

 

Das eigentliche innere Leben des anderen, ganz von innen heraus, miterleben.

 

 

 

 

 

 

 

Als ich noch völlig geschützt in mir ging, physisch attraktiv und psychisch grundlegend . . unangreifbar. Gegenwärtigkeits-, Zukunftsstrahlungen. Mit der Möglichkeit jederzeit, selbstbestimmt in Selbst-Attraktivität umzulenken  .  .  .

 

 

 

 

 

 

 

»Gehen wir dann zum Griechen?» Dieser Satz bzw. die positive Antwort darauf, ohne nur eine geringste Ahnung haben zu können, hätte fast die Reise beendet oder sehr eingeschränkt. Eine Art Bude am Strand. Fast alles «ließ zu wünschen übrig«. Schmierige Gastgeber, wie bald ersichtlich wurde. Keine Toilette in Sicht, nicht fragen wollen. Auf dem Weg um die Hütte herum von einem schäferhundartigen aggressiven Hund angefallen werden. Seine rauen Pfoten hinterlassen ein paar Kratzer. Der Hund lag an einer nicht kurzen Leine verdeckt hinter einer Tonne. Vor der Budenecke, ein ganzes Stück links, nicht direkt im Sichtfeld, ein Schild »Do not enter», kein Hinweis auf einen Hund, womöglich hätte diese Absicherung ausgereicht. Es wundert mich eher, so wie es sich anfühlte und war, nicht gebissen, zerrissen worden zu sein.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

  1. August 2018

 

 

 

 

Nachts zu zweit auf dunklem Feld in hellen Sternenhimmel sehen.

 

 

 

 

 

 

 

So überaus angeregt gegenüber dem Neuen, Unbekannten.

 

 

 

 

 

 

 

Traum: Verbundenheit zu »Schreiben» und »Bewahren» stieg weiter an. Auf einmal stand der PC heillos im Wasser. Mit dünnen Nerven erwachte ich. Kein Rettungsversuch der Daten, und wie lang ging es, hatte geholfen. Dahinter das Naturgesetz: Wer etwas bewahren will, wird enttäuscht.

 

 

 

 

 

 

Dies: Etwas viel schöner kurz gesehen zu haben, als es dann in der Wirklichkeit vorlag.

 

 

 

 

 

 

 

Auf einmal, jenseits von Plötzlichkeit, befinde ich mich in einem Tag, als käme er, in einem Zimmer, als bestünde es aus lauter Abdunkelungen. Und endlich, endlich ließe sich auch jeder Schatten leben, nichts mehr würde 'verheimlicht', nichts mehr! Weiter noch degradiert, aber noch etwas glücklicher.

 

 

 

 

 

 

 

 

Navodari. Ärmste Verhältnisse neben gediegenen.

Gesichter, in denen etwas durchbrannte

 

 

 

 

 

 

Zu zweit äthiopischen sowie kolumbianischen Kaffee trinken vor einem feinen Lädchen. Dämmerung langsam auf die Stadtplätze herabfiel.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

  1. August 2018 

 

 

 

In einer Beziehung, die ernsthaft aufgebaut wird, ist man auch so etwas wie «Bombenentschärfer«.

 

 

 

 

 

 

 

So friedlich vom Strand zum Wagen gehen

beinah abgrundlos, Erinnerung –

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

  1. August 2018

 

 

momentweise nur noch vom andern erfüllt.

 

 

 

 

wenn Übergänge zu etwas Widrigem fehlen.

 

 

 

 

 

 

Aus den Wunden in sich heraus, mit größter Geduld, alle      Liebe geben.