(und die Idee der Auflösung

von ‚Schicksal‘)

 

helle Nacht aus Rosen
[…]
heller Rosen-Schlaf, ich bin dein Schläfer.

Heller Schläfer deiner Düfte; tiefer
Schläfer deiner kühlen Innigkeiten.

(Rilke)

 

 

gingen mit geöffneten Händen aufeinander zu – und umarmten uns. Es geschah schon einige Male und im Anfang fanden die Körper, die Zustände, die Energien nicht recht zusammen. Es änderte sich dadurch, dass plötzlich eine Situation entstand, in der ich ihr dünnes Haar aus dem Gesicht, ja ihr Gesicht streichelte. Sanft wie ein aufkommender leichter Wind an einem fernen Fluss. Wie es dazu kommen konnte, ist schwer zu vermitteln. Der sozusagen regellose, aber ritualisierte Tanz, ein luzider Rausch ohne Drogen ließ es zu. Seitdem waren wir füreinander aufmerksam. Ihr Hunger danach, berührt zu werden, einzutauchen, war mir weit vorher nicht entgangen. Eine Frau mit anspruchsvoller, ausufernder Berufstätigkeit, die darin etwas zerrieben wird. Und so ganz andere Augen hat. Nämlich die einer Liebenden, einer Über-Aufmerksamen, Hochsensiblen, ja Hellsichtigen. Auch ich schälte mich erst langsam heraus. Zuweilen etwas aufgeregt, „über-energetisch“ aus Unsicherheit, oder steinartig still, fand ich mehr und mehr in die ruhige Bewegtheit meines eigentlichen seelischen Zustands. So gingen wir aufeinander zu – mit offenen Händen und Herzen – umarmten uns – mit einem Lächeln der Freude in den Augen, es wieder tun zu dürfen. Und kosteten aus – wohl im Bewusstsein, dass auch dies hier nicht ewig gehen konnte. So war es gleich Anvertrauen. Ein Sich-Hineinbegeben in die Säfte und Stimmen des anderen, so lautlose, zurufende, schreiende, sanft flüsternde Stimmen. Sie verbanden sich – ja, welche Worte treffen jetzt hier zu? Es wurde erstmals nichts mehr ausgespart. Alle Scheu, Zurückgehaltenheit fiel! Hin-Gabe. Solche Hingabe erzeugte ein Volumen, das immer weiter wuchs, in dem ich mich auf einmal ganz geborgen sah. Und meinte zu fühlen, auch sie. Als sei eine Schutzhülle um die Körper herum entstanden, die – auch – an einen embryonalen Zustand erinnerte, soweit da von Erinnerung die Rede sein kann, wohl eher Körpergedächtnis. Welche Vorstellungen sich auch melden, es geht gar nicht um sie; jede Schmerzregung war gewichen, und es kam mir vor, als habe sich meine biografische Geschichte verflüchtigt. Anstelle dessen spürte ich nur noch die Substanzen aus dieser Verbindung. Da entstand neues Leben. Kein drittes, sondern das eigene, vielleicht jeweils eigene Leben neu. Ich frage nicht nach Bestand, es wurden solche Wahrnehmungen möglich, und sie waren stark genug, um sich ohne Mühe ein Gedächtnis zu verschaffen.

  

Sind nicht an deinem lieben Leibe Orte,

die sich entsinnen wie ein Angesicht?

  

(Rilke)