Es hat diese doppelte Optik: einerseits die Person zu sehen und andererseits die „Vektoren“, die Einfluss nahmen. Man kann dies durchaus trennen.

  

Fremdansprüche – für sich gut existieren – extreme Aggression

  

Durch überzogene Ansprüche, die entsprechende Konsequenzen haben, für die Person, kann man leicht in innere Ohnmachtssituation geraten, gerade dann, wenn man Manieren hat, höflich ist und seine Harmonie zu leben erreichen möchte. Gegenpart solcher Verhaltensweisen ist – folgerichtig, psycho-logisch – mitunter extreme Aggression. Nämlich dann, wenn dem Betreffenden kein Raum mehr bleibt, so zu sein, wie er ist und sein möchte.

  

Sensibilität und Maskierung

  

Die Maske dient ja als Schutz für empfindsames Innenleben, auch und gerade dafür, dem Schmerz (auch der Scham, der Beschämung) zu entgehen. Man kann es, bei Heranwachsenden, besser als bei Jungen oft bei sensiblen Mädchen sehen (was nicht heißt, dass es bei Jungen weniger vorkäme), wenn sie sich z.B. „eher unpassend“ schminken oder stylen und ein Gruppenverhalten miterzeugen, um „en vogue“ (bzw. anerkannt) zu sein. Geradezu vorprogrammiert ist, dass die „Maske“ mit dem, was sie wirklich wollen und wie sie eigentlich sind, kollidiert (z.B. in der Beziehung mit einem eher unpassenden Partner). Ein Gegenbegriff von „Maskierung“ ist „innere Nacktheit“ (oder wie man es auch bezeichnen möchte). Sich in dieser letztgenannten Weise zu verhalten, das wiederum wird Jungen (weiterhin) sehr schwer gemacht; nicht zuletzt vom „weiblichen Geschlecht“, weil es mit Rollenerwartungen („Gender“) kollidiert – etwa mit der Erwartung, dass Männer auch „Verdiener“ sind und wenigstens von daher Kinder und Kindererziehung garantieren. Beides ist jedoch kaum, bzw. nicht, zu haben: Entsprechung im Hinblick auf Rollenansprüche UND authentische Sensibilität. Für den heranwachsenden Jungen, der über unbestechliche Sensibilität verfügt, bleibt zunächst große Irritation und der Konflikt, dass er einerseits wegen solcher Sensibilität und Art gemocht und geliebt, sie aber andererseits im Konfliktfall angegriffen, ggf. fallengelassen wird, nämlich dann, wenn die Ausprägung gegenläufiger Eigenschaften nicht hinzukommt.

Nicht selten steht jemand mit solchen Werten und seiner Empfindung allein. Mehr noch: „die Welt“ suggeriert, dass es Besseres gibt. Doch sie gaukelt viel und hat diesbezüglich Unrecht - - - wahre Sensibilität gehört zum Allerwertvollsten. Da ist etwas Schwieriges um sie. Doch nicht diese Sensibilität ist schwierig. Sondern sie zu wahren im Feld allgegenwärtiger Instrumentalisierung, die ihr nichts Gutes will.

Was nun Carl Christian betrifft, so bleibt bei mir folgender Haupteindruck: Es gab Momente zwischen uns im Kontext nonverbaler Kommunikation, in denen ich über-deutlich spürte, dass er von solcher Sensibilität hatte. Auch da kursieren Missverständnisse: es bedeutet nicht, dass gleich ein Künstler aus jemand oder ihm geworden wäre. Man sollte, muss zunächst trennen: Sensibilität und Leistung. Eine Sensibilität kann herausragend in sich sein und ist überdies spezifisch. Genau genommen ist keine der andern gleich.

Nun hat Carl sich gerade und zunächst nicht durch auffällige „Leistung“ positioniert. Das ändert aber nichts an seiner Sensibilität, die ich in Verbindung mit einem großen Glückspotenzial, in manchem Moment, aufleuchten sah.

 

Glücksversprechen und Gesellschaft 

 

Ich vermute Folgendes: Carl, oder jemand wie er, sah bzw. spürte, dass die reale Gesellschaft ihre Glücksversprechen nicht wirklich einlöst. (Dass sich Einlösung allein durch persönliches Engagement, wie oft proklamiert wird, erreichen lasse, ich denke, jeder spürt wenigstens, dass dazu auch geeignete Adressaten oder Anschlussstellen gehören. Und die Qualität dieser wird bei solcher Rede ausgeblendet.)

Carl hätte das gewiss nicht so formuliert, aber darum geht es nicht. Solche Zusammenhänge und Eindrücke können also gespürt werden, im Unterbewussten, auch halbbewusst, diffus und deutlich, unabhängig davon, ob es formuliert und thematisiert werden kann.

  

Drogen

 

Eine Droge ist ein Surrogat. Und zwar ein Surrogat für Glück. Drogen sind Glücksmittelchen. Sie gehören zum übergroßen Arsenal dessen, womit man letztlich sich selbst betrügt. Aber woher soll der Heranwachsende das gleich wissen? Er fühlt, etwas stimmt nicht, und er kann noch nicht ganz wissen, wie Recht er damit hat. Und greift zu dem, was kursiert, und dazu gehören ggf. Drogen. So, wie andere zur Zigarette greifen und Alkoholisches trinken. Der Unterschied ist, wie man weiß, lediglich kulturell bedingt. Z.B. in Marokko wird mehr Marihuana eingenommen, auch öffentlich, z.B. in Deutschland gehört für viele der Alkoholrausch zu einem gewissen „Standard“. Allem gemeinsam ist, dass es Surrogate sind für nicht eingelöstes Glück. Denn bei jenem, der Glück empfindet, lebt, stört dies nur.

  

Ich empfinde Trauer darüber, dass es letztlich nur Autoaggression war; dass Carl Christian also alles gegen sich selbst richtete, was, genauer genommen, andere Adressaten hat.

  

Ein authentischer Weg wird, jemand wie ihm, schwergemacht.