Heute tatest du mir weh.
Rings um uns war Schweigen nur,
Schweigen nur und Schnee.
Himmel war, nicht wie Azur,
blau jedoch und voll mit Sternen.
Windeslied erklang aus fernsten Fernen.
Heute war es wunderschön.
Schön wie tiefverschneite Höh'n,
eingetaucht im Abendglutenring.
Heute tatest du mir weh.
Heute sagtest du mir: geh!
Und ich - ging.
(Selma Meerbaum-Eisinger, 1939)
»Nun ist bei jedem Menschen zu beachten, gerade beim Partner«, sagte Carl Lichthof, »welche Vorerfahrungen er hat. Was von da aus greift.
Rigoros kann sie sich abgrenzen, wenn es um ihr Wohlbefinden geht.
Das lernt ein Mensch, der in Not war.
Ein Mensch, der in entscheidenden Momenten und Zeiten seines Lebens: keine Hilfe erhielt.
Ein Mensch, der einst vor der Entscheidung stand: Ich gehe unter ODER ich wehre mich.
Ich wehre mich in dem Sinne, dass ich rigoros – im Zweifelsfall – zu mir selbst stehe.
Daran ist nichts auszusetzen, nichts!
Es war das Einzige, was half.
Es war Überleben.
Wird dieses Verhalten jedoch Teil von Beziehung, kann es passieren, dass der Partner – ebenso rigoros – abgespalten wird.
Je nach Situation: empathielos abgespalten wird.
An dieser Stelle«, sagte Carl, »bräuchte und brauche ich Sicherungen.
Denn auch sie hat mich verletzt.
Ich wollte 'alles richtig machen'. Hatte offengelegt, was der Fall ist. Und von vornherein gesagt, dass sie nichts zu befürchten habe, Entscheidungen und Schutz auf ihrer Seite sind. Dass vom Zentrum der Beziehung aus entschieden werde.
Im Weiteren wurde ich nicht geschützt.
Am Ende der Zeit war ich in Not.
Und konnte eigentlich nicht mehr fahren.
Ich dachte, ich hätte deutlich gemacht, dass das nicht mehr ging.
Ich trat dann, spät am Abend, mit meinen Sachen vor sie hin und machte wieder den Fehler – das gehört offenbar zu meiner Art – das Gegenteil von dem zu sagen, wie mein Bedürfnis war und was ich brauchte, in der Hoffnung, dass der andere ein Einsehen habe und auf mich zukomme.
Ich stand also mit meinen Sachen vor ihr und sagte ›Ich fahre dann‹.
Und meinte: *Ich kann nicht mehr fahren. Bitte sag, dass ich bleiben kann.*
Sie deutete aber nur auf einen Gegenstand, den ich für uns mitgebracht hatte und der mir sehr lieb ist.
In dem Moment wurde ich 'irre', denn ich konnte kaum anders, als darin ein Symbol des Abschieds zu verstehen, knallte mit maximaler Wucht die Wohnungstür.
Womöglich ging es nur darum, dies nicht mehr in der Wohnung zu haben, in der Weise nicht mehr an mich erinnert zu werden, dem Schmerz aus dem Wege zu gehen.
Es ging vielleicht ums Überleben. Aber unter Einbezug dessen – ob es ihr bewusst war oder nicht –, dass der andere dabei draufgeht.
›Lass mich in Ruh‹ brüllte ich noch im Wagen und sah erst da wieder, dass ich das Fenster heruntergedreht hatte, und meinte ›Lass mich jetzt nicht allein‹.
Ich kam zu dem Erkennen, so weit in Abhängigkeit geraten zu sein, dass ich allein nicht mehr lebensfähig zu sein schien. Denn der Sog und die Kraft wurden immer stärker, in dieser Nacht, mir das Leben zu nehmen.
Es erschienen Gründe, das nicht zu tun, aber sie blieben so sehr im Schatten, dass sie keine Wirkung mehr hatten.
Ich machte es mir zur Aufgabe, zur einzigen Aufgabe noch, langsamer zu fahren als es üblich ist, um anzukommen. Um mich in die Wohnung zu sperren, um mich vor mir selbst zu sichern. Davor zu sichern: mich nicht zu zerstören.«